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FDP-Vizepräsident Jürgen Möllemann war sich wohl
nicht bewusst, welche Auswirkungen seine Bemerkung nach der
Aufnahme des umstrittenen, früheren grünen Politikers
Karsli (der von "Nazi Methoden" Israels sprach) haben kann.
Möllemanns Aussage war kurz - schlug aber wie eine Bombe ein.
Er sagte:
Diese wenigen Worte verursachten im Blätterwald, aber auch in den elektronischen Medien einen enormen Wirbel. Hildegard Hamm-Brücher forderte Möllemann zum Rücktritt auf. Der Präsident des Zentralrates in Deutschland verlangte von Möllemann, sich persönlich zu entschuldigen. Die Äusserung brachte auch Westerwelle in eine Zwickmühle. Denn er wollte Möllemann nicht vor den Kopf stossen und versuchte deshalb die Aussage hinunterzuspielen. Er wollte die Sache vom Tisch haben. Bundeskanzler Schröder sprach Klartext und nutzte am SP-Parteitag die Gelegenheit, die FDP als fragwürdigen Partner hinzustellen. | |
Jürgen Möllemann schloss eine Entschuldigung beim
Zentralrat der Juden kategorisch aus.
Er habe bereits gesagt, er bedaure seine Aussage und
dies müsse genügen. Unterstützung erhielt Möllemann
erstaunlicherweise von ungeliebter Seite, nämlich von
FPO Chef Haider aus Oesterreich. Es ist nicht das erste Mal, dass eine unbedachte Äusserung eine grosse Folgewirkungen hat. Wir hatten hier zum Beispiel die drei Fälle erwähnt. Möllemanns Worte werden wahrscheinlich nicht so schnell ad acta gelegt sein. Es hat zu viel politische Brisanz darin. In einem Kommentar hiess es bereits: Dies sei nach Ende des zweiten Weltkrieges die schlimmste Bemerkung hinsichtlich Antisemitismus. Gewiss wird im Zusammenhang mit Möllemanns Bemerkung auch geklärt werden müssen, wie weit Israel in Deutschland kritisiert werden darf, ohne dass diese Kritik als antisemitisch ausgelegt werden kann.
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Nachtrag vom 5. Juni :
Westerwelle hat bei der Auseinandersetzung
mit seinem Stellvertreter ein Schlappe erlitten.
Er konnte nicht erreichen, dass der
umstrittene Abgeordente Karsli auch aus
der FDP Fraktion ausgeschlossen wird.
Gegen Möllemann konnte sich Westerwelle
damit nicht durchsetzen. Möllemann erreichte, dass der Vorstand Westerwelles ablehnte und Karsli erst dann zur Fraktion austreten müsste, falls er seine antisemitischen Äusserungen wiederhole. Diese Niederlage ist für den Kanzlerkandidat gravierend. Nun ist Möllemann der starke Mann. Die Geschichte wird zum Fall Westerwelle. Möllemann konnte seine Uneinsichtigkeit überdeultich artikulieren, indem er nachträglich zu seiner Entgleisung zufügte:
Möllemanns Intransigenz wird die Kontraverse bestimmt zusätzlich anheizen. Wenn sich ein Bundesvorsitzender nicht gegen die Landespolitiker seiner Partei durchsetzen kann, erleidet seine Autorität empfindlichen Schaden. Parteichef Scharping musste dies Mitte der neunziger Jahre erleben, als er Schröder und Lafontaine nicht zu bändigen wusste. Der Medienspiegel bestätigt diese Einschätzung. Seit Tagen dominiert das Westerwelle-Möllemann-Thema die Frontseiten und Gesprächsrunden der wichtigsten deutschen Medien. | |||||
Nachtrag: Westerwelle geht in die Offensive. Bekanntlich kann nach der Chaostheorie ein Schmettling mit einem Flügelschlag später ein Gewitter auslösen. Im Chaos der Diskussion über die Antisemitismusaussagen merkte Westerwelle, dass sich die FDP in einer heiklen Situation befindet. Westerwlle musst handeln, damit ihm Möllemann nicht die Szepter aus der Hand nehmen kann. Er musste ein Zeichen setzen, um zu zeigen wer das Sagen hat. Westerwelle stellte am 5 Juni Möllemann ein Ultimatum: Wenn der umstrittene ehemalige Grüne Jamal Karsli bis zum Montag nach seinen neuerlichen Aussagen weiterhin Mitglied der nordrhein-westfaelischen Landtagsfraktionen sei, sei "eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit Möllemann nicht mehr möglich. Damit sind die Richtungskämpfe in der Partei sichtbar geworden. Wer wird sich durchsetzen? | |||||
Nachtrag 7. Juni. Möllemann lenkt ein und schlägt nach. Mit der Entschuldigung laesst es Möllemann nicht bewenden. Er fügte bei: "Ich habe meine Entschuldigung nicht an Herrn Friedman gerichtet. Der hat sie auch nicht verdient." Dass Möllemann weiterhin unberechenbar bleibt, macht folgende Zusatzbemerkung bewusst. So beschrieb er Friedman als "einen ziemlich unerträglichen arroganten Menschen." | |||||
Nachtrag 8. Juni, Möllemann kann es nicht lassen. Er griff auch prominente FDP Politiker wie Hildegard Hamm-Brücher an. Hamm-Brücher verlangt nun den Rücktritt Möllemanns als FDP Vize. Wir haben allmählich das Gefühl, dass es Möllemann in der Rolle des Provokateurs recht wohl ist. Der sonst redselige Möllemann hält sich im Moment zurück. Der zweite stellvertretende FDP-Bundeschef Walter Döring äusserte sich im Magazin "Fokus" mit einer soundbitefähigen Aussage die dann an mehreren Orten zu lesen war:
Möllemann meint zum ganzen Medienwirbel:
Ob mit diesem Schusspunkt die Diskussion rund um die Antisemitismus-Affaire beendet ist? | |||||
Nachtrag 11. Juni, Moellemann tritt erneut ans Schienbein. Die Bezeichnung "Querulanten" die Möllemann für die ihn kritisierenden FDP Politiker gebraucht hatte, nahm der angeschossene Provokateur nicht zurück. Im Gegenteil: Anstatt nach der Aussprache auf Zweikämpfe zu verzichten, schlug Möllemann noch eins drauf. Möllemann doppelte in überheblichem Ton nach:
Es ist erstaunlich, dass sich das "Enfant terrible" der FDP trotz heutiger kalten Dusche nicht etwas zurückhielt. Ein Freund Möllemanns liess sogar stolz verlauten:
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Nachtrag vom 19. Januar, 2003. Der kontroverse Politiker Möllemann
wird auch auf dem Internet beobachtet. Es gibt zum Beispiel ein
Möllemann File, das Medienberichte
über den Politiker sammelt und protokolliert. Möllemann kam am 18. Januar 2002 zuletzt mit Kritik an Friedman und Israel in die Schlagzeilen. Ein Tag früher hat der FDP Politiker verlauten lassen, er spiele mit dem Gedanken, eine eigene Partei zu gründen. Möllemann muss am kommenden Dienstag vor der FDP-Landtagsfraktion im Rahmen des gegen ihn laufenden Ausschlussverfahrens Stellung nehmen. Dem früheren stellvertretenden Bundesparteichef und Nordrhein-Westfälischen Landesvorsitzenden wird dabei die Affaire um sein Wahlkampf-Flugblatt mit Kritik an der israelischen Regierung und Michel Friedman vom Zentralrat der Juden sowie dessen Finanzierung zum Vorwurf gemacht. Auch aus der Bundestagsfraktion und der Partei soll er ausgeschlossen werden. Möllemann wird für die Partei immer mehr zu einer Belastung. |
Nachtrag vom 10. Februar, 2003 Möllemanns Abgang von der FDP. 45 Fraktionsmitgliedern der FDP-Fraktion haben 39 für den Fraktionsausschluss Möllemanns gestimmt. Möllemann hatte zuvor in Düsseldorf bereits angekündigt, sein Bundestagsmandat im März niederlegen zu wollen. Die Fraktion wollte davon unabhängig Rechtssicherheit schaffen. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte vor der Abstimmung erklärt, Möllemann müsse endgültig entmachtet werden. Das Ausschlussverfahren hatte die Fraktion wegen Möllemanns israelkritischem Faltblatt und dessen undurchsichtiger Finanzierung angestrengt. Für einen Ausschluss Möllemanns war eine Zwei-Drittel-Mehrheit von 32 Abgeordneten von insgesampt 47 Parlamentariern notwendig. |
Nachtrag vom 5. Mai, 2003 Möllemann ums Leben gekommen.
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